Donnerstag, 25.1.24
Wenn man die Beziehung zwischen Mensch und Baum in der Torah näher betrachtet, erkennt man eine faszinierende Ambivalenz. Dies äussert sich auch in den Worten Gottes an den Menschen, gleich nach dessen Erschaffung, die Früchte der Bäume zu geniessen. Im weiteren Verlauf dreht sich die Abhandlung um den «Baum des Lebens» und den «Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen».
Rabbiner Jakov Duschinsky, langjähriger Oberrabbiner Südafrikas, entnimmt dem Vergleich zwischen Baum und Mensch eine geistige Erkenntnis: «Der Unterschied zwischen einem lebenden und einem vertrockneten Baum liegt darin, dass solange die Wurzeln des Baumes mit dessen Blättern durch die Feuchtigkeitsströmung im Baum verbunden sind, der Baum wächst und blüht. Sobald jedoch der Wasserzufuhr ein Ende gesetzt wird, trocknet der Baum aus und verwelkt. Genau so ist es beim Menschen: Solange er seine Beziehung mit Gott aufrechterhält, ist er wie ein lebender Baum – «denn der Mensch ist der Baum des Feldes». Wenn sich aber der Mensch nicht um eine Verbindung mit der Quelle des ewigen Lichts bemüht, bleibt er trocken und ohne Lebenswasser in seiner Seele» (Beikvey Paraschijot, S. 322).
Nach der wundersamen Rückkehr der Juden in ihre Heimat wird im modernen Staat Israel auch der Neujahrstag der Bäume auf eine – neben dem Obstessen – besondere Art gefeiert: mit dem Pflanzen von Bäumen. Familien und Schulklassen, Kinder und Erwachsene gehen am 15. Schwat in die freie Natur Israels und pflanzen Setzlinge. Nach der Ausage in der der Torah: «Und so ihr in das Land kommt und einen Baum pflanzet» (3. Mose 19,32). mehr Informationen
Die jüdische Tradition kennt unterschiedliche Jahresanfänge: Der 1. Nissan (März/April) für das Königtum: Dieser Tag war der Krönungstag der Könige Israels sowie der Stichtag, anhand dessen die Regierungszeit eines Königs gezählt wurde. Der 1. Elul (August/September) für den Zehnten des Viehs. Der 1. Tischri (September/Oktober) für das landwirtschaftliche Jahr und als Erinnerung an die Erschaffung der Welt. An Rosch HaSchana beginnt jeweils kalendarisch das neue jüdische Jahr. Und der 15. Schwat (Januar/Februar) ist das Neujahrsfest der Bäume – Tu BiSchwat. Der hebräische Buchstabe «Tet» hat den Zahlenwert «9», der Buchstabe «Waw» steht für «6». Gemeinsam stehen Tet und Waw für 15 und werden zusammen als «TU» gelesen. «TU BiSchvat» ist also der 15. Tag im Schevat. Schvat heißt der fünfte Monat im jüdischen Kalender, der in die Monate Januar und Februar des gregorianischen Kalenders fällt.
«TU BiSchvat» ist nicht in der Bibel geboten und wird auch im Talmud kaum erwähnt. Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wählte die Gelehrtenschule «Bet Hillel» den 15. Schvat als «Neujahr der Bäume», um festlegen zu können welche Früchte zum Zehnten von welchem Jahr gehören. Durch die klimatischen Bedingungen in Israel ist dafür der 15. Schwat ideal, da er fast auf das Ende der Regenzeit fällt, wenn der Saft in die Bäume hochsteigt und sich die Früchte zu formen beginnen. So bildet dieser Tag eine natürliche Grenze zwischen den Früchten des vergangenen Jahres und denen des Folgejahres. Als Erstes blühen die Mandelbäume.
Anpflanzen von Bäumen
Heute pflanzen in Israel die Kinder an diesem Tag Bäume. So tragen sie zum Aufbau des Landes bei. Juden, die außerhalb von Israel – in der Diaspora – leben, spenden Geld für die Anpflanzung von Bäumen in Israel. Nur im Schabbatjahr werden an diesem Tag keine Bäume gepflanzt (2015 / 2022). Schon Mose hatte in der Wüste das Gebot gegeben: «Wenn ihr in das Land kommt, sollt ihr allerlei Bäume pflanzen!» (3. Mose 19,23). In den letzten Jahren wurde Tu BiSchwat mehr und mehr zum Anlass genommen, um zu überlegen, wie man zum Schutz der Lebensgrundlagen auf dieser Erde beitragen kann. An diesem Tag werden traditionell verschiedene israelische Früchte verzehrt.
Bäume in der Bibel
Einen Anklang an das Neujahrsfest der Bäume finden wir in 3. Mose 19,23-25: «Wenn ihr in das Land kommt und allerlei Bäume pflanzt, von denen man isst, so lasst ihre ersten Früchte stehen, als wären sie unrein wie Unbeschnittene. Drei Jahre lang sollt ihr die Früchte als unrein ansehen, dass ihr sie nicht esst; im vierten Jahr sollen alle ihre Früchte unter Jubel dem Herrn geweiht werden, erst im fünften Jahr sollt ihr die Früchte essen, damit ihr künftig um so reicheren Ertrag einsammelt, ich bin der Herr, euer Gott.»
Bäume als Sinnbild
Paulus gebrauchte das ausdrucksstarke Bild vom Ölbaum, um die Beziehung zwischen nichtjüdischen und jüdischen Gemeinden zu illustrieren (Römer 11,17-21). Er sprach davon, dass die Nichtjuden durch den Messias wie Zweige in die Verheißungs- und Heilslinie Israels eingepfropft sind. Menschlich gesehen ist dieses Konzept kontraproduktiv. Niemand pfropft einen unedlen Zweig in einen edlen Baum, sondern wir tun das Umgekehrte. Hier zeigt sich die göttlich Dimension. Gott segnet und gebraucht jeden in seinem Reich, der sich seiner Hand anvertraut. Für ihn gibt es keine unbrauchbaren Zweige. Es ist Gnade und nicht unser Verdienst. Jeder, der sich dem himmlischen Gärtner anvertraut, kann aus der Kraftquelle Gottes leben.
Text: Hanspeter Obrist
Jüdische Feste:
Rosch HaSchana – Jüdisches Neujahr
Fasten des Gedalja
Jom Kippur – Der Versöhnungstag
Sukkot – Das Laubhüttenfest
Chanukka – Das jüdische Lichterfest
Tu BiSchwat – Das Neujahrsfest der Bäume
Purim – Ende des Antisemitismus – Überwindung vom Fremdartigen
Pessach / Passah – Die Befreiung
Tischa BeAw – Tröstet mein Volk
Unzählbare Feste doch nur drei gesetzliche Feiertage in Israel