Die ungewöhnliche Willkommensrede
Diese Geschichte vom himmlischen Vater und dem verlorenen Sohn ist schon außergewöhnlich. Jetzt ist der Sohn endlich wieder zu Hause angekommen und nun hält der Vater eine sonderbare Rede. Logisch wäre, wenn der Vater sagen würde: „Lasst uns essen und fröhlich sein, denn mein Sohn ist weit weg gewesen und ist wieder zu uns zurückgekehrt.“ Doch der himmlische Vater sagt hier etwas anderes: „Lasst uns essen und fröhlich sein, denn mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist gefunden worden“ (Lukas 15,23-24).
Der Vater spricht nicht von der aktiven Umkehr seines Sohnes, sondern redet, als ob sein Sohn passiv gewesen wäre. Ein Toter kann nicht von selbst lebendig werden. Und mit der Formulierung, „er ist gefunden worden“, bringt der Vater zum Ausdruck, dass ein offenes Vaterhaus wichtiger ist als der Wille zur Umkehr. Hier lernen wir eine neue Sichtweise kennen. Aus Gottes Sicht sind wir tot, verloren, unerreichbar, am Verderben und ohne Zugang zu ihm. Wenn sich nichts ändert, bleibt dieser Zustand bestehen bis in alle Ewigkeit. Jesus hat als Erster unmissverständlich davon gesprochen. Er sprach vom ewigen Leben und vom ewigen Tod. Ohne Versöhnung mit Gott sind wir tot. Das ist eine harte Botschaft. Es fällt uns auch nicht leicht, sie zu akzeptieren.
Achten wir einmal darauf, wie der Sohn reagiert. Er widerspricht dem Vater nicht, obwohl man am Anfang der Geschichte sieht, dass er sich sehr wohl formulieren konnte. Durch sein Schweigen bestätigt er: „Ja, so war es“. Ein Mann auf der Gasse meinte einmal zu jemanden, den ich kenne: „Mir musst du nicht erklären, dass es eine Hölle gibt. Ich erlebe sie.“
Paulus, der erste große christliche Schriftsteller, schreibt dazu: Gottes Barmherzigkeit ist groß. Wegen unserer Sünden waren wir in Gottes Augen tot. Doch er hat uns so sehr geliebt, dass er uns mit Christus zu neuem Leben erweckte (nach Epheser 2,4).
Ohne die offenen Arme des Vaters wäre jegliche Umkehr des Sohnes umsonst gewesen. Stell Dir vor, der Sohn wäre umgekehrt, aber niemand hätte ihn aufgenommen. Nach seinem Klopfen hätte das Dienstmädchen nur den Kopf geschüttelt und gesagt: „Nein, wir brauchen hier niemanden mehr.“ Ohne offene Tür bleiben wir draußen stehen.
Wenn Gott keinen Weg frei gemacht hätte, dann gäbe es auch keine Rückkehr zu ihm und keine Gemeinschaft mit ihm. Wenn der Vater seinen Sohn nicht aufgenommen hätte, dann wäre er verloren – tot, auch wenn er noch dahinvegetieren würde. Darum finden nicht wir Gott, sondern er uns. Er hat den Weg frei gemacht und wartet mit offenen Armen auf uns. Er kommt uns sogar entgegen. So kann der Vater sagen: Mein Sohn war verloren und ist gefunden worden. Er war tot und ist wieder lebendig geworden.
Toter wurde lebendig
Jesus war der erste, der zum ewigen Leben aus dem Tod auferstanden ist. Hätte es zu dieser Zeit schon eine Boulevardpresse gegeben, so wäre vielleicht folgender Titel erschienen: „Leichnam verschwunden – Zeugen behaupten, der Tote sei lebendig“. Das Geheimnisvolle war, dass sich Jesus nur ausgewählten Personen zeigte. Deshalb war die Gerüchteküche perfekt. Immerhin waren es über 500 Leute, die Jesus gesehen hatten (1.Korinther 15,6). Er war tot und ist wieder lebendig geworden. Jesus sagte selbst einmal von sich: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Totenreiches“ (Offenbarung 1,18).
Jesus ist der Weg in die offenen Arme Gottes. In ihm begegnet uns der himmlische Vater. „Weil Jesus von den Toten auferstanden ist, haben wir die Hoffnung auf ein neues, ewiges Leben“ (1.Petrus 1,3 Hfa). Paulus schrieb den Kolossern: „Euch, die ihr tot wart in den Verfehlungen, hat Gott mit Jesus lebendig gemacht“ (nach Kolosser 2,13). Er hat auch die Macht, uns vom endgültigen Tod zu befreien. Durch Jesus wird der verlorene Mensch gefunden. Paulus schreibt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten“ (1.Petrus 1,3).
Ein fröhliches Fest
Was jetzt im Hause des Vaters passiert, ist fast nicht zu fassen. Statt einer formellen Wiederaufnahmezeremonie lässt der Vater ein Kalbssteak servieren. Weshalb veranstaltet der Vater dieses pompöse Festessen? Reicht es nicht schon, dass sich alle über die Heimkehr des Sohnes freuen? Braucht es wirklich noch das Kalbfleisch und ein Fest in Saus und Braus?
Einige Christen demonstrieren ihre Frömmigkeit ja gerade dadurch, dass sie sich selber und anderen nichts gönnen. Sie berufen sich auf’s „Eigentliche“ und die innere Freude. Doch das hat nichts mit Gottes Art zu tun. Gott ist weder knauserig noch armselig oder vergeistigt-weltfern. Nein – Gott feiert und ist fröhlich! Ein riesiges Fest soll besiegeln, dass sein Sohn zu Hause willkommen und angenommen ist. Der Vater speist den Sohn nicht mit frommen Worten ab, sondern mit einem Willkommens-Steak. Er gibt ihm etwas Handfestes, mit dem er endlich seinen Hunger stillen kann. Nicht nur unsere Schuld wird ausradiert, Gott gibt uns auch alles, was wir zum Leben brauchen. Vergebung ist eine lebensverändernde Realität.
Mich erstaunt, wie der himmlische Vater seine Freude zum Ausdruck bringt. Würde es nicht viel näher liegen, dass man dem Heimgekehrten zu spüren gibt, dass er sich zuerst einmal bewähren soll? Dieses Misstrauen verhindert oft einen Neuanfang. Doch Gott weiss: Wer Verlorenheit erlebt hat, will sie in alle Ewigkeit nicht mehr ausprobieren.
Hier heißt es: „Sie fingen an fröhlich zu sein“ (Lukas 15,24). Müssen wir das auch wieder lernen? Und dabei meine ich eine andere Fröhlichkeit als die, bei der man sich auf Kosten anderer erfreut. Diese sogenannte „Freude“ kannte der Sohn von seiner Schlemmertour. Nein, wir müssen wieder neu lernen, uns übereinander zu freuen. Nicht, indem ich mich über jemanden lustig mache, sondern indem ich mich freue über sein Sein und Dasein. DAUERHAFTE FREUDE ENTSTEHT NICHT AUF KOSTEN DES ANDEREN, SONDERN AM ANDEREN.
Der himmlische Vater sagt: „Lasst uns ein fröhliches Fest feiern für jeden, der zu mir umkehrt.“ Wir haben viel Grund zum Feiern. Lasst uns doch auf verschiedene Arten zum Ausdruck geben, dass wir uns aneinander freuen. Einfach ein Fest feiern, weil der andere da ist. Der himmlische Vater sagt: Lasst uns essen und fröhlich sein! (Lukas 15,23).
Text: Hanspeter Obrist
Auszug aus dem Buch
Der barmherzige Vater
Inspirierende Gedanken zur biblischen Geschichte vom barmherzigen Vater und seinen beiden Söhnen
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Der barmherzige Vater
- Vater für tot erklärt (Lk 15,11-12)
- Freudenfest endet im Fiasko (Lk 15,13-16)
- Der rettende Gedanke (Lk 15,17-20)
- Vater ausgeflippt (Lk 15,20-23)
- Toter wurde lebendig (Lk 15,24)
- Bruder meidet Bruder (Lk 15,25-28)
- Barmherzigkeit sucht Hartherzigkeit (Lk 15,28b)
- Beziehungskiller (Lk 15,29-30)
- Gottes Reichtum (Lk 15,31-32)
- Ohne Ende (Lk 15,11-32)