Schwefelsäure-Angriffe auf pakistanische Frauen

Ein Oscar ging erstmals nach Pakistan gegangen ist. Es war zwar nur in der bescheidenen Kategorie ‚Kurzer Dokumentarfilm‘. Aber dies störte die Pakistaner kaum.

Der vierzigminütige Film ‚Saving Face‘ handelt über die barbarische Praxis pakistanischer Männer, Frauen Schwefelsäure ins Gesicht zu spritzen. 150 Opfer wurden letztes Jahr allein von der ‚Acid Survivors Foundation‘ betreut, doch wie ihre Präsidentin Valerie Khan in der ‚Express Tribune‘ erklärte, ist die Dunkelziffer hoch.

Dies ist dem perversen Umstand zu verdanken, dass die Säure genau das tut, was viele Männer zu dieser Untat provoziert: Sie sorgt dafür, dass die Frauen ihr Gesicht endlich hinter dem Schleier verbergen, oder dass sie sich ganz in die abgeschotteten ‚Pardah‘-Räume ihrer Häuser einschliessen. Die Scham eines entstellten Gesichts und das soziale Stigma, das damit einhergeht, halten viele Opfer davon ab, ihre Angreifer zu benennen und anzuklagen. Es ist ein ‚intimes Verbrechen‘, sagt Sharmeen Obaid im Film.

Oft sind es Ehemänner, die die Tat ausführen und das Opfer damit zwingen, ihre Rolle als Sklavin des Hauses noch unsichtbarer als zuvor auszuführen. Die Täter sonnen sich manchmal im stolzen Gefühl, einem religiösen Gebot Nachachtung verschafft zu haben.

Vor einem Jahr wurden drei Schwestern zwischen Vierzehn und Zwanzig in der Nähe der Stadt Kalat in Balutschistan, auf dem Weg zu einer Hochzeit, von zwei Motorrädern überholt. Dabei schütteten die Beifahrer den jungen Frauen Säure in die unverschleierten Gesichter. Die vier Täter gehörten zur ‚Baluch Ghairatmand‘, der ‚Ehrenhaften Balutschen-Vereinigung‘, die Frauen zwingen will, den ‚Hijab‘ zu tragen. In diesem Fall flohen die drei Frauen allerdings nicht in die Scham des Schleiers. Sie klagten gegen die vier Täter. Sie waren es, die im Gefängnis verschwanden.

„Saving Face“ handelt von Pakistanerinnen, die den Mut hatten, ihr Gesicht zu zeigen. Die Filmerin folgt einem britisch-pakistanischen Arzt, Mohammed Jawad. Er hatte von diesen Schandtaten gehört und beschloss, seine Praxis für Schönheitschirurgie in einem Londoner Nobelviertel periodisch zu schließen und mit seiner Ausrüstung in die Heimat zu reisen. In städtischen Krankenhäusern, aber auch in kleinen Landpraxen macht er sich daran, das Gesicht von Opfern Hautschicht um Hautschicht wieder herzustellen. Im Film erklärt er, wie zerstörerisch die Säure wirkt. Sie verbrennt nicht nur wie bei einem Brandunfall das Gewebe, sondern richtet sich regelrecht darin ein und frisst sich weiter. Manchmal seien bis zu 25 Operationen nötig, um dem Gesicht wieder einen Anflug seiner früheren Lebendigkeit zurückzugeben. Für Augenlicht und Geruchsnerven sei es meistens zu spät. Die Säure ist leicht zu beschaffen, da sie in der Textilindustrie, einem wichtigen Erwerbszweig in Pakistan, leicht zugänglich ist.

Eine Gesetzesverschärfung – sie schreibt bei Säureangriffen 14 Jahre Haft vor – wurde vor zwei Jahren verabschiedet, ist aber in mehreren Provinzen immer noch nicht in Kraft. So konnte es geschehen, dass die Zahl der – bekannten – Säureangriffe im letzten Jahr um 25 Prozent zunahm.

Vertreterinnen von Frauenorganisationen sind allerdings überzeugt, dass die weltweite Aufmerksamkeit, die ‚Saving Face‘ dank dem Oscar geweckt hat, und die Euphorie darüber in Pakistan, die Politiker und Polizei zwingen werden, zu handeln.

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