In der Torah taucht eine geheimnisvolle Person auf und verschwindet wieder. Wir wissen weder Herkunft noch weitere Hintergründe. Nur folgendes ist uns bekannt:
Als Abraham aus dem Krieg zurückkommt und vor dem König von Sodom steht, ist auf einmal Melchisedek von Salem da. Sein Name bedeutet: Mein König der Gerechtigkeit aus Frieden.
Er empfängt Abraham mit Brot und Wein. Ein sonderbares Mahl für einen König. Brot und Wein wurde viel später auch von Jesus verwendet. Jesus nahm es, um damit aufzuzeigen, dass sein Leib (Brot) für uns Menschen zerschlagen wurde und sein Blut (Wein) uns mit Gott versöhnt (Matthäus 26,26-28).
Weiter segnet Melchisedek Abraham und lobt Gott für sein Handeln. Abraham gibt Melchisedek den zehnten Teil der Beute (1.Mose 14,18-20). Und schwupps hört und sieht man nichts mehr von diesem Priesterkönig und Abraham spricht wieder mit dem König von Sodom.
Um sich alles noch besser vorstellen zu können, erinnern wir uns daran, dass Gott Abraham in diese Gegend geschickt und ihm Land und eine große Nachkommenschaft verheißen hatte. Lot machte sich mit ihm auf den Weg. Doch im verheißenen Land konnten sie keinen Fuß fassen und sie zogen mit den Herden umher. Die Knechte von Lot und Abraham stritten sich miteinander um die Weideplätze.
Abraham suchte den Frieden und bot Lot an, er solle wählen, wohin er gehen wolle. Lot wählte die fruchtbare Ebene, und so zog Abraham in die unwegsame Wüste. Lot fasst in Sodom Fuß und wohnte dort. Doch durch einen Krieg zwischen den Stadt-Königen wurden er und seine Familie gefangen weggeführt.
Als Abraham das hörte, dachte er nicht: „Das geschieht ihm Recht. Das ist die Strafe dafür, dass er mich in die Wüste schickte.“ Nein, Abraham startete eine Rettungsaktion und zog mit 318 Männern los. Taktisch geschickt machte er einen doppelten Überraschungsangriff und konnte die Gefangenen befreien.
Nun steht Abraham mit allen Befreiten vor dem König von Sodom und dem geheimnisvollen Priesterkönig. Der friedvolle Glaubensvater Abraham steht da mit blutverschmierten Kleidern aus der Schlacht. Später lesen wir vom König David, dass er den Tempel für Gott nicht bauen durfte, weil er zu viel Blut an den Händen hatte (1.Chronik 28,3). Und wie geht es nun weiter mit Abraham?
Der Friedenskönig – der König von Salem – bringt Klarheit. David schreibt in Psalm 110: „Gott, der Herr, hat meinem Herrn geschworen: In alle Ewigkeit sollst du ein Priester sein, so wie es Melchisedek war!“ Der Schreiber des Hebräerbriefs zieht in Kapitel 7 eine Parallele zwischen Melchisedek und Jesus.
Manche verstehen dass so, dass Gott immer, wenn er als Person Menschen begegnet, dies als „Jesus“ tut (Kolosser 1,15). Man nennt das den prä-existenten Jesus – Jesus als Person, bevor er sich als Mensch für eine bestimmte Zeit auf die menschlichen Möglichkeiten einschränkte, indem er als der Sohn von Maria lebte, am Kreuz starb und dann wieder auferstand.
Spannend ist, was dieser König der Gerechtigkeit tut. Er bringt mit Brot und Wein die Versöhnung, Reinigung und Heiligung von Abraham vor Gott zum Ausdruck. Wer sich bewusst ist, dass wir, so wie wir sind, vor Gott nicht bestehen können und das Angebot der Vergebung durch das vergossene Blut in Anspruch nimmt, der steht wieder neu unter dem Segen Gottes. Deshalb segnet Melchisedek den Abraham. Der Segen zeigt an, dass hier Brot und Wein nicht nur ein normales Essen war, welches wie in Psalm 104,15 „der Wein des Menschen Herz erfreue und das Brot das Herz stärke“.
Melchisedek lenkt den Blick auch auf Gott und preist ihn als den eigentlich Handelnden. Er ist es, der uns den Sieg gibt. Wenn Gott uns nicht die Türen öffnet, rennen wir vergebens gegen eine Wand. Wenn wir Gott folgen, wacht er über unserem Weg, so wie es in Psalm 121 steht:
Psalm 121
1 Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher wird meine Hilfe kommen?
2 Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.
3 Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wanke. Dein Hüter schlummert nicht.
8 Der HERR wird deinen Ausgang und deinen Eingang behüten von nun an bis in Ewigkeit.
Nachdem Abraham den Blick auf Gott richtet, gibt er seiner Begeisterung für den erhaltenen Segen zum Ausdruck, indem er zehn Prozent dem Melchisedek gibt. Der Zehnte wird erst 400 Jahre später eingeführt. Maleachi schreibt dann wiederum einige Jahrhunderte später: „Ich, der allmächtige Gott, fordere euch nun auf: Bringt den zehnten Teil eurer Ernte in vollem Umfang zu meinem Tempel, damit in den Vorratsräumen kein Mangel herrscht! Stellt mich doch auf die Probe, und seht, ob ich meine Zusage halte! Denn ich verspreche euch, dass ich dann die Schleusen des Himmels wieder öffne und euch mit allem überreich beschenke“ (Maleachi 3,10).
Melchisedek, der König der Gerechtigkeit und des Friedens – ein Bild für den versöhnenden Dienst von Jesus. Abraham ließ sich dienen. Er hätte sich auch etwas auf den Sieg einbilden können, den er errungen hatte. Aber das tat er nicht. Er nahm das Mahl an. Er ließ sich segnen. Er stimmte ein ins Lob Gottes und gab Gott, was ihm gehört. Auch heute noch sind das die besten Schritte zur Gerechtigkeit und Frieden.
Hier noch der Originaltext von der Begegnung mit dem König von Salem aus 1.Mose 14:
17 Und als Abraham zurückkehrte,… zog der König von Sodom aus, ihm entgegen …. 18 Und Melchisedek, König von Salem, brachte Brot und Wein heraus; und er war Priester Gottes, des Höchsten. 19 Und er segnete ihn und sprach: Gesegnet sei Abraham von Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde geschaffen hat! 20 Und gepriesen sei Gott, der Höchste, der deine Bedränger in deine Hand ausgeliefert hat! – Und Abram gab ihm den Zehnten von allem.
Text Hanspeter Obrist Februar 2017 Melchisedek – König der Gerechtigkeit PDF
Siehe auch:
Jesus in der jüdischen Bibel
Abel – Der getötete Gottesknecht
Noah – Das Vertrauen in Gott hat ihn gerettet
Melchisedek – König der Gerechtigkeit
Der geheimnisvolle Gast von Abraham
Abrahams eigenartiger Opfergang
Jakobs Himmelsleiter
Jakobs Wende und neue Identität
Josef – Modell des Christusweges