Jakobs Wende und neue Identität

Als Jakob am Ende seiner Möglichkeiten ist, schenkt Gott ihm eine neue Identität. Ab jetzt kämpft Gott für ihn.

Jakobs Lebenssituation steht im krassen Gegensatz zu den Verheißungen, die er von Gott empfangen hat. Durch List versucht er zu erhalten, was ihm von Gott versprochen wurde. Das hat die Beziehung zu seinem Bruder zerstört. Nach einem langen Exil sagt Gott zu ihm: „Kehre zurück in dein Land und zu deiner Verwandtschaft, und ich will dir Gutes tun!“ (1.Mose 32,10). Schon vorher hat Gott ihm zugesagt: „Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe“ (1.Mose 28,15). Jakobs Abgesandte bringen jedoch die Nachricht, dass sein Bruder ihm mit 400 Mann entgegen zieht (1.Mose 32,7). Statt sich auf ein versöhnliches Wiedersehen freuen zu können, muss er um das Leben seiner Familie fürchten (V.12). Wieder versucht er es mit einer taktischen Lösung: Er teilt seine Sippe in verschiedene Lager auf und schickt einige Männer mit Geschenken als Vorhut in die Richtung, aus der Esau kommt.

Der eigentliche Kampf Jakobs ist jedoch der Kampf mit Gott. Noch immer will Jakob die göttlichen Verheißungen aus eigener Kraft Wirklichkeit werden lassen. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel. Statt auf Gott zu vertrauen, wird er schuldig an Menschen und an Gott.

Als sich ihm an der Furt des Flusses Jabbok (Nahr ez-Zarqa) ein Mann in den Weg stellt, ist ihm wahrscheinlich nicht klar, mit wem er es zu tun hat. Ist es ein Kämpfer Esaus oder Esau selbst? Er lässt sich auf den Kampf ein und ringt mit seinem unbekannten Gegenüber. Als sich dabei plötzlich sein Hüftgelenk verrenkt, ist er in der Defensive. Aber er will nicht aufgeben, sondern die Anerkennung der göttlichen Verheißungen erhalten.

Doch mit wem hat er es zu tun? Warum muss er seinen Namen „Jakob“, was „Fersenhalter“ bedeutet, nennen und sein Gegner verschweigt ihm, wer er selbst ist? Erst als Jakob gesegnet wurde, gehen ihm die Augen auf: Es ist nicht sein Bruder Esau, sondern Gott, der ihm in menschlicher Gestalt erschienen ist (vgl. Abraham in 1.Mose 18,22 oder Jesus in Johannes 14,9). Hosea nennt diese Gestalt „einen Boten Gottes“, was auch als Engel übersetzt wird (Hosea 12,5).

Nach diesem Kampf schenkt Gott Jakob eine neue Identität, indem er ihm einen neuen Namen gibt: Er soll von nun an „Israel“ heißen. Das bedeutet: „Es kämpft El“. „El“ steht in den alttestamentlichen Namen stets für „Elohim-Gott“ (siehe auch 1.Mose 35,10).

Auch in unserem Leben kann das ähnlich sein. Wir halten die Spannung zwischen Lebenswirklichkeit und den göttlichen Verheißungen nicht aus und werden selbst aktiv. Auch in der Bibel entdecken wir solche Situationen immer wieder.

Mose wollte sein Volk vor der Zeit befreien und musste fliehen, weil er einen Mann getötet hatte. Erst als er selbst schwach war, konnte Gott ihn gebrauchen.

Jesus wurde durch den Teufel versucht (Matthäus 4,1-11), indem ihm dieser vorschlug, sich selbst zu helfen und nicht auf Gottes Handeln zu warten. Jesus verzichtete jedoch darauf, sich selbst zu helfen und wartete bis zu seiner Auferstehung.

Paulus bekam in seinem Ringen mit Gott die Antwort: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2.Korinther 12,9). Darum rühmt sich Paulus am allerliebsten seiner Schwachheit, damit die Kraft Christi in ihm wirksam wird.

Jakob hat sein ganzes Leben lang um die göttlichen Verheißungen gerungen. Die entscheidende Wende geschieht erst, als er am Ende seiner Möglichkeiten ist, sich Gott unterstellt und sich an ihm festklammert. Als er sich mit Gott versöhnt, sorgt Gott auch für die Versöhnung mit seinem Bruder (1.Mose 33,4). Gott ringt mit dem ICH des Menschen, das von Gott unabhängig sein will. Jakob wird vom „Fersenhalter“ zum „An-Gott-Festhalter“. Von nun an kämpft Gott für ihn.

Wenn wir nicht mehr für uns kämpfen, sondern uns an Gott klammern und ihm den Kampf überlassen, erfahren wir in unserem Leben eine neue Dimension. Jesus hat das im Garten Gethsemane so formuliert (Lukas 22,42): „Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“

Text und Bild: Hanspeter Obrist / März 2017

Bild: Knesset Menora Israel – Jakobs im Kampf

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