Erlösung – der messianische Arm der Knesset-Menora in Jerusalem

Der ganze Leuchter gipfelt im inneren Bogen zum Thema Erlösung, was zugleich die direkte Antwort auf das Thema der Vernichtung im Zentrum des Leuchters ist.

rachelruthIm zentralen Bild ist in Gestalt der beiden Frauen Rachel und Rut bereits der Gegensatz von Verzweiflung und Trost eingezeichnet, welcher das Thema Erlösung durchgehend bestimmt. Jeremia schrieb: „Rahel weint über ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen über ihre Kinder; denn es ist aus mit ihnen“ (Jeremia 31,15). Sie wird von der nichtjüdischen Rut, der Ururgroßmutter König Davids, getröstet (Rut 4,17). So wie in Jesaja 40,1 steht: «Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihm zu, dass seine Frondienste vollendet, dass seine Schuld abgetragen ist! Denn es hat von der Hand des Herrn das Doppelte empfangen für all seine Sünden» (Jesaja 40,1).

An den Spitzen der beiden inneren Arme hat der Künstler die beiden Messias-Typen platziert. Rechts sehen wir den gescheiterten Messias, Simon Bar Kochba.

BarKochbaIm Jahr 132 n.Chr. flammte unter Simon Bar Kosiba noch einmal ein Aufstand gegen die römische Herrschaft auf. Rabbi Akiba sah in ihm den Messias, den Stern, den der Prophet Bileam aus Juda aufgehen sah (4. Mose 24,17). So erhielt er den Namen Bar Kochba – Sternensohn. Nach Anfangserfolgen wurde der Aufstand im Jahr 135 von den Römern blutig beendet. Sein Name wurde in Bar Koziba – Lügensohn – umgedeutet. Jerusalem wurde in eine Militärsiedlung mit dem Namen Aelia Capitolina umgewandelt und Juden wurde verboten die Stadt zu betreten. Das messianische Reich, das allein mit Waffengewalt aufgerichtet werden sollte, hatte keinen Bestand.

 

DavidBar Kochba gegenüber steht der siegreiche David, der vor seinen Attributen Krone, Harfe und Schwert das abgeschlagene Haupt des Ungeheuers Goliath zeigt. Im Judentum entstand mit der Zeit die Erwartung an den Messias Ben David und Ben Josef. Davids militärische Stärke wurzelte in seinem Vertrauen in Gott; auch Josef überwand den Tiefschlag der Versklavung nach Ägypten durch sein Festhalten an Gott. Juden beten noch heute täglich für das Erscheinen des Sohnes Davids, des Messias, der Israel von seinen Feinden befreien wird. Die Evangelisten Matthäus und Lukas haben mit ihren Stammbäumen aufgezeigt, dass Jesus von Nazareth ein direkter Nachkomme König Davids ist. Die Blinden im Neuen Testament riefen: „Erbarme dich unser, Sohn Davids!“ (Matthäus 9,27) und das Volk in Jerusalem jubelte: „Hosanna dem Sohn Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Matthäus 21,9). Der Weg von Jesus auf dieser Erde glich mehr dem Weg von Josef als dem Davids. Jesus versprach aber auch, als glorreicher Messias ein zweites Mal auf die Erde zu kommen. Bis dahin bleibt der Weg des Messias der Weg Josefs – Festhalten an Gott trotz ungerechtfertigter Anfeindungen.

ZionDarunter stellt Elkan die zwei Arten des Zionismus dar. Rechts sehen wir die passiv Trauernden um Zion (Awle Zion). In Psalm 137,5 steht: „Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, so werde vergessen meine Rechte!“ Jahrhunderte lang haben Juden ihre Arme nach der Stadt Jerusalem hin ausgestreckt und gebetet, dass der Messias die Stadt wieder aufbaut.

 

 

 

ZionistenDem gegenüber stehen die aktiven Zionisten, die nach langer Irrfahrt mit dem Rest der Geretteten an Bord den Anker der Hoffnung auswerfen. Lange Zeit war die Einwanderung ins Land Israel stark beschränkt und oft illegal oder für Juden nicht attraktiv. Erst ab 1948 konnten Juden in Israel unbeschränkt einreisen. Der Zionismus entstand durch den immer wieder spürbaren Antisemitismus in Europa und Russland. Er war in seinen Ursprüngen eine sozialistische Bewegung, die nicht mehr auf eine übernatürliche Lösung warten wollte und deshalb selbst aktiv wurde. Noch heute gibt es ultraorthodoxe Juden, die aus diesem Grund den Staat Israel ablehnen.

JakobDie beiden Haltungen des Zionismus werden in den Medaillons noch einmal dialektisch mit den beiden Urtypen des Glaubens verknüpft. Rechts ringt Jakob (Israel) mit dem Engel des Herrn (1. Mose 32,25). Dieser verrenkt Jakob die Hüfte. Doch Jakob gibt nicht auf. „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“, sagt er seinem Gegner im Kampf. Er bekommt danach den neuen Namen „Israel“: „Denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen“ (1. Mose 32,27.29).

 

AbrahamAuf der anderen Seite sitzt der Patriarch Abraham, der in einer schrecklichen Vision das Exil seiner Nachkommen voraussieht (1. Mose 15,11 ff.) und trotz aller Prüfungen seinen Glauben nicht verliert. Abraham vertraute Gott und wurde so ein Vorbild des Glaubens. Gott versprach ihm ein großes Volk und Land. Der verheißene Sohn wurde nur durch ein Wunder geboren und außer einem Friedhof besaß Abraham kein einziges Stück Land. Doch Abraham vertraute weiter, dass Gott nichts unmöglich ist – sogar die Auferweckung seines Sohnes von den Toten (Hebräer 11,19).

Insgesamt lässt sich die hochkomplexe Botschaft des Leuchters auf die Aussage verkürzen, dass die Verfolgungen der Juden zu einer religiösen und nationalen Renaissance führten. Damit passt die Menora sehr gut zum Selbstverständnis des Staates Israel, ein Zufluchtsort für alle verfolgten Juden zu sein, so wie es Jesaja verheißen hat: „Gott wird die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Verstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde“ (Jesaja 11,12).

Text: Hanspeter Obrist

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