Nach dem Trauertag Tischa Be’Aw (er fiel in diesem Jahr auf den 29. Juli) beginnt vor allem in den Bergen der „jüdische Tourismus“ wie jeden Sommer so richtig zu florieren. Davos im Kanton Graubünden ist dabei die heimliche und inoffizielle jüdische Sommerhauptstadt Europas. Sie wird auch in diesem Sommer wieder von vielen jüdischen Touristen besucht werden.
Zwar gibt es dazu keine offiziellen Zahlen, denn die Gäste werden selbstverständlich nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit, sondern nach ihrer Nationalität erfasst. Aber wenn im 13’000-Seelen-Ort an einem Freitag im Durchschnitt im August ca. 1’500 Challot (Schabbat-Brot) bestellt werden, kann man sich die jüdische Präsenz im Ort etwa ausmalen.
In Davos gibt es zwei kurzzeitige koschere Hotels, mehrere Verpflegungsmöglichkeiten und vor allem unzählige kleinere Synagogen und Gebetsstuben. Die jüdische Präsenz in Davos geht im Übrigen weit zurück – und hat natürlich auch damit zu tun, dass früher auch jüdische Lungen-Patienten hierher kamen.
Am 1. August gibt es in Davos ein besonderes Event. Am 12. Sijum Haschass beenden observante Juden in der ganzen Welt zur gleichen Zeit die Lektüre des Talmud-Studiums. In rund siebeneinhalb Jahren lernen Juden jeweils den babylonischen Talmud durch. Heute wird die Beendigung dieser religiösen Lektüre überall dort, wo es grosse jüdische Gemeinden gibt, mit einer grossen Feier, Musik und einem guten Essen begangen.
So nun auch in Davos – dort haben die Organisatoren den Kongressaal gemietet – also jenes Zentrum, wo sich Ende Januar jeweils die Mächtigen der Welt für das WEF versammeln. Ein Blick auf die Teilnehmer-Liste des Sijum Haschaas beeindruckt ziemlich: etliche rabbinische Autoritäten, z.B. der Leiter der Torahochschule von Poniwesch, Rav Berel Powarski oder der Wischnitzer Rebbe Rav Mendel Hager, wollen an der Zeremonie teilnehmen – ebenso wie weniger prominente Gäste aus ganz Europa.
Bei Davos Tourismus wusste man einige Tage vorher zwar noch nichts von diesem bald stattfindenden Grossereignis, zeigt sich aber hoch erfreut darüber und wertet es als weiteres Zeichen, dafür, dass Davos wirklich die jüdische Sommerhauptstadt Europas ist.