Kain schlug Abel tot. (1. Mose 4,8)
Viele Geschichten in der jüdischen Bibel sind ein stiller Hinweis auf den Messias und seinen Tod.
Das erste Menschenpaar rebellierte gegen Gott und wurde aus dem Paradies ausgewiesen. Als Folge mussten sie sich alles im Schweiße ihres Angesichts selbst erarbeiten. Sie hatten eine große Kinderschar (1.Mose 5,4), doch nur von Kain und Abel wird uns mehr berichtet.
Kain und Abel waren Gegensätze. Abel war ein stiller Diener Gottes. Wir hören kein Wort aus seinem Mund. Nur von einer stillen Opferhandlung wird uns erzählt. Jesus bezeichnete ihn als einen Propheten (Lukas 11,50). Kain war ein ehrgeiziger und wortgewandter Mensch. Er ging über Leichen, und als er merkte, dass Gott an Abels Opfer mehr Gefallen hatte als an seinem, brachte er seinen Bruder kurzerhand um. So wurde Abel zum ersten Menschen, der um seines Glaubens willen starb. Seine enge Verbundenheit zu Gott machte ihn zum ersten Märtyrer.
Himmel und Erde halten den Atem an. Der erste Mensch stirbt – kaltblütig in einem Hinterhalt erschlagen (1.Mose 4,8).
Rund viertausend Jahre später: Wieder wird einer ermordet. Jesus neigte sein Haupt und verschied am Kreuz (Johannes 19,30). Wieder halten Himmel und Erde den Atem an. Die Sonne verfinstert sich (Markus 15,33). Die Erde bebt (Matthäus 27,51). Der, an dem Gott Wohlgefallen hatte (Lukas 3,22), wurde von den führenden Juden abgelehnt und durch die Römer am Kreuz durchbohrt. Sein qualvoller Tod wird vor allen Menschen zur Schau gestellt.
Von Abel wird uns nicht viel erzählt, doch sein Tod ist in der Bibel wichtig. Viele denken, der Tod von Jesus ist doch nicht so wichtig, vielmehr seien es sein Leben und seine Lehren. Das Neue Testament setzt aber einen anderen Schwerpunkt. Achte einmal darauf, wie viel Raum in den Evangelien der Bericht über den Tod von Jesus einnimmt. Als Johannes, der Jünger von Jesus, ins Jenseits schauen durfte, sah er Jesus als ein geschlachtetes Lamm (Offenbarung 5,6). Der Jünger Thomas konnte erst glauben, als er die Wundmale von Jesus sah (Johannes 20,27). Der Auferstandene trägt die Wunden des Kreuzes. Bei Jesus ist vor allem der Tod wichtig. Denn durch seinen Tod und seine Auferstehung können wir leben (Römer 5,18).
Viele Menschen wurden im Laufe der Geschichte erschlagen. Ist es da nicht erstaunlich, dass der erste Erschlagene nicht in Vergessenheit geriet? Sogar Jesus sprach von Abel (Lukas 11,51). Er prangerte an, dass die Schriftgelehrten den Verstand der Zuhörer über die biblischen Berichte vernebeln, damit sie die Zusammenhänge nicht verstehen können.
Der Schreiber des Hebräerbriefes sagt, dass Abel Gott ein besseres Opfer darbrachte als Kain, Gott das Opfer von Abel bestätigte und Abel durch seinen Glauben immer noch redet, auch wenn er schon tot ist (Hebräer 11,4): „Das Blut Abels, der von seinem Bruder umgebracht wurde, schrie nach Rache, aber das Blut Christi spricht von der Vergebung“ (Hebräer 12,24 Hfa).
Redet das Blut? Ja, denn gleich nach der Tat hat Gott etwas Seltsames zu Kain gesagt: „Das vergossene Blut deines Bruders schreit von der Erde zu mir!“ (1.Mose 4,10).
Das vergossene Blut schreit: Rache! Vergeltung! Doch das vergossene Blut von Jesus bietet Vergebung und Gnade an. Paulus scheibt den Ephesern: „Denn durch sein Blut, das er am Kreuz vergossen hat, sind wir erlöst, sind unsere Sünden vergeben. Und das verdanken wir allein Gottes unermesslich großer Gnade“ (Epheser 1,7). Und Johannes bezeugt: „Das Blut, das sein Sohn Jesus Christus für uns vergossen hat, befreit uns von aller Schuld“ (1.Johannes 1,7). Das Blut von Jesus überwindet das Blut der Rache, weil es freiwillig und aus Liebe gegeben wurde. Jesus sagte: „Niemand nimmt mir mein Leben, ich gebe es freiwillig“ (Johannes 10,18).
Das redende Blut von Jesus ist ein Geheimnis. Dem, der darauf vertraut, bringt es Frieden. Wer dagegen rebelliert, lehnt sich gegen den himmlischen Vater auf. Als Kain seinen Bruder Abel erschlagen hatte, stellt sich Gott ihm in den Weg: „Wo ist dein Bruder Abel?“ Kain weist die Verantwortung für sein Tun weg, indem er sagt: „Woher soll ich das wissen? Ist es etwa meine Aufgabe, ständig auf ihn aufzupassen?“ (1.Mose 4,9). Kain möchte seine Verantwortung ignorieren und verdrängt sie.
Geht mich der Tod von Jesus etwas an? Gott fragt uns, wie wir uns dazu stellen. Wollen wir das Angebot der Vergebung durch das Blut annehmen?
Noch vor der Tat fragte Gott Kain: „Warum bist du so zornig und blickst so grimmig zu Boden? Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du doch jedem offen ins Gesicht sehen. Wenn du jedoch Böses planst, dann lauert die Sünde dir auf. Sie will dich zu Fall bringen, du aber beherrsche sie!“ (1.Mose 4,6-7). Kain hätte zur Besinnung kommen können. Seine Wut gegenüber Gott lässt er an seinem Bruder aus.
In Buch der Offenbarung schreibt Johannes: „Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und weil sie sich zu Gott bekannt haben. Sie haben ihr Leben für Gott eingesetzt und den Tod nicht gefürchtet“ (Offenbarung 12,11). „Im Blut des Lammes haben sie ihre Kleider rein gewaschen“ (Offenbarung 7,14).
Die entscheidende Frage ist, wie wir über Gott und das Geschehen am Kreuz denken. Durch das Kreuz werden wir fähig, Böses mit der Hilfe von Jesus zu überwinden, damit wir einander offen ins Gesicht sehen können.
Text: Hanspeter Obrist, Februar 2017
Abel – Der getötete Gottesknecht PDF
Siehe auch:
Jesus in der jüdischen Bibel
Abel – Der getötete Gottesknecht
Noah – Das Vertrauen in Gott hat ihn gerettet
Melchisedek – König der Gerechtigkeit
Der geheimnisvolle Gast von Abraham
Abrahams eigenartiger Opfergang
Jakobs Himmelsleiter
Jakobs Wende und neue Identität
Josef – Modell des Christusweges